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Margret Steckel

Margret Morsh-Steckel
Ehmkendorf ()

Margret Steckel wuchs in der Nähe von Rostock auf einem Gutshof auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie vom SED-Regime enteignet. Margret Steckel verließ die DDR nach dem Abitur 1955. In Westberlin absolvierte sie ein Dolmetscher- und Übersetzerstudium. Sie arbeitete zunächst als Dramaturgin für die Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox Film Corporation, übersetzte Synchronbücher aus dem Englischen und schrieb selbst ein Drehbuch, die Grundlage ihres späteren Romans Die Schauspielerin und ich. 1968 zog sie mit ihrer Familie nach Irland, später nach England.In dieser Zeit schloss sie ein Fernstudium der deutschen Literatur ab. 1983 zog sie nach Luxemburg.

Margret Steckel, die seit 1962 Erzählungen schreibt, nahm 1989 am Literaturwettbewerb der Frauenzeitschrift Bild der Frau und der Lambda Edition in Hamburg teil und schrieb, angeregt von der Barschel-Affäre, die Erzählung Aus-weg-los über den Selbstmord eines Politikers. Diese Erzählung wurde 2007 in überarbeiteter Form unter dem Titel Das letzte Konzept erneut veröffentlicht. 1993 folgte ihr erster Roman, Nie wieder nirgendwo, in dem, ausgelöst durch das Wiedersehen der Ich-Erzählerin mit den Orten ihrer Kindheit, die Erinnerung an eine Jugendliebe in der DDR beschrieben wird.

Margret Steckel beschäftigt sich in ihren Romanen, Novellen und Erzählungen immer wieder mit der deutschen Geschichte. So führt Der Letzte vom Bayrischen Platz (1996) in das nationalsozialistische Berlin der 30er Jahre, an die Front des Zweiten Weltkriegs und in die unmittelbare Nachkriegszeit. Eingebettet in eine Rahmenerzählung, in der ein älterer Mann im Fiebertraum prägende Momente seiner Jugend heraufbeschwört, werden Erinnerungsschichten übereinandergelegt. Dabei entsteht ein erzählerisches Netz, in dem die Quecksilbrigkeit einer unbeschwerten Freundesclique mit dem Tod der Kriegsjahre verwoben wird. Auch die eigene Vergangenheit hat Margret Steckel literarisch verarbeitet. In Die Träne aus der Wand  (2000) werden in einem doppelten historischen Vergegenwärtigungsprozess die in den 30er Jahren angesiedelte mecklenburgische Kindheit der Hauptfigur und ihr Wiedersehen nach der Wende mit dem längst verloren geglaubten Elternhaus, sowie die damit verbundene Begegnung und Freundschaft mit der neuen Besitzerin geschildert. Die Gleichzeitigkeit dieser zwei Erlebnisebenen wird dabei zum Kern- und Angelpunkt des Geschehens, das den Kampf um den Erhalt des Hauses der beiden weiblichen Protagonisten, deren Stimmen sich immer wieder kontrapunktisch ergänzen, beschreibt. Dabei wird das Haus selbst zur Figur; die Beständigkeit des Ortes garantiert persönliche und familiäre Kontinuität, wobei der Text zwischen dem Bedürfnis des Einzelnen, sich in der Vergangenheit zu erden und dem Bewusstsein der Notwendigkeit einer individuellen Selbstfindung im Bruch mit der Geschichte oszilliert. Ihre Kindheit im Mecklenburg der 30er und 40er Jahre schildert Margret Steckel auch in der Novelle Jette, Jakob und die andern (2017), einer Geschichte, bei der das fröhlich Unbeschwerte der glücklichen Kindheit vor dem leisen Entsetzen der geschichtlichen Katastrophe bewegende Konturen erhält. Aus diesen (auto)biografisch geprägten Werken sticht Steckels akribische Analyse des Erinnerungsprozesses hervor, ein Thema, das auch den im Jahr 2010 publizierten Roman Servais durchzieht. Servais ist zugleich historischer Roman und Familienroman und erzählt, am Beispiel der Familie Servais, über fünf Generationen, auch zu Emmanuel Servais, Félix Servais und Franz Servais, den politischen und wirtschaftlichen Aufschwung Luxemburgs und die persönlichen Krisenerfahrungen Einzelner.

Margret Steckel entlarvt in ihren Texten, zunehmend seit 2000, den Schein von angeblich funktionierenden individualen und gesellschaftlichen Beziehungen und schildert die Hilflosigkeit des Menschen im Konflikt zwischen Willensfreiheit und der Konfrontation mit dem Realen. Sie diagnostiziert Formen der Machtausübung in Beziehungen mittels der Darstellung privater Tragödien, zerbrechender Ehen sowie Generationen- und Geschlechterkonflikten. So sucht die weibliche Hauptfigur in Die Schauspielerin und ich (2003) in einer Doppelbiografie, bei der der berauschende Sog einer aufstrebenden Karriere dem Schmerz privater Verlusterfahrungen entgegengestellt wird, nach ihrer eigentlichen Bestimmung, und auch die Protagonistin aus Drei Worte hin und her (2014) sehnt sich inmitten der Zerrissenheit einer Dreiecksbeziehung nach einem tieferen emotionalen Halt. Die Erzählung Daisy Fiedler (2021) schildert die langjährige Freundschaft der Erzählerin mit der titelgebenden Figur, deren Körper nach schwierigen Kindheitserfahrungen zunehmende Lähmungserscheinungen entwickelt, bis sie körperlich völlig hilflos ist. Dabei steht die komplexe Beziehung Daisys zu einem jungen Mann im Vordergrund, dessen zunächst lebensbejahendes Glücks- und Liebesbedürfnis letztendlich zum tragischen Scheitern verurteilt ist. In der Novelle Mutterrache (2023) setzt sich eine Frau in der Sehnsucht nach der entfremdeten Tochter einer unerbittlichen Selbstanalyse aus. Dabei schwankt ihre Lebensbeichte zwischen Verzweiflung und trotziger Aufmüpfigkeit. Im Wechselspiel zwischen Einsamkeit, Verlust und Trauer und der Kraft einer komplexen Gefühlswelt ruhen die Figuren letztlich in sich selbst, so auch in den Erzählungen der Sammlung Ins Licht sehen, die 2016 neue und bereits vorher publizierte Texte vereint. Hier findet sich u.a. der Text Ein Wiedersehen, aus dem der Roman Die Träne aus der Wand entstand.

Das Werk Margret Steckels zeichnet sich durch eine starke biografische Verankerung aus, die Erzähltes im Kern des Schaffensprozesses immer an Erlebtes bindet. Erinnerungen und Literatur lassen sich als Palimpsest lesen, eine Eigenschaft, die sie auch in ihren 2021 erschienenen poetologischen Überlegungen Meine Sprache, mein Farbkasten offenlegt. Hier beschreibt sie auch ihre stark reflektierende Herangehensweise an das Schreiben, die Sprache als filigranes und präzises Darstellungsmaterial versteht.

Margret Steckel veröffentlicht in Galerie, Lëtzebuerger Almanach, Carrière, Les Cahiers luxembourgeois, Revue, d'Lëtzebuerger Land, woxx und Westermanns Monatshefte. Sie arbeitete als Rezensentin für das RTL Radio Lëtzebuerg-Magazin Frequenzen und radio 100,7 und veröffentlichte Literaturkritiken in Lëtzebuerger Journal und Livres-Bücher.

1982 erhielt sie den Literaturpreis für Kurzprosa der Hamburger Autorenvereinigung, 1990 den ersten Preis im OKR(Ostdeutscher Kulturrat)-Erzählwettbewerb Offene Grenzen, 1992 wurde die Kurzgeschichte Wenn Tante Anna kommt beim Concours littéraire national ausgezeichnet, 1997 erhielt Margret Steckel den Prix Servais für Der Letzte vom Bayrischen Platz. 2023 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Prix Batty Weber ausgezeichnet.

Margret Steckel war Mitglied des LSV bis zu dessen Auflösung 2016 und ist Mitglied des P.E.N. Zentrum Deutschland. Sie ist Ehrenmitglied des 2020 gegründeten Schriftstellerverbandes A:LL Schrëftsteller*innen.

Dieser Artikel wurde verfasst von Claude D. Conter und Nathalie Jacoby

Veröffentlichungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
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  • Titel der Zeitschriften
    Carrière. Eischte Lëtzebuerger Fraëmagazin
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  • Titel der Zeitschriften
    Galerie. Revue culturelle et pédagogique
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  • Titel der Zeitschriften
    Lëtzebuerger Almanach. Red.: Georges Hausemer ; Gestalt.: Heng Ketter
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  • Titel der Zeitschriften
    Lëtzebuerger Journal / Letzeburger Journal / Journal / LJ. Politik, Finanzen a Gesellschaft
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  • Titel der Zeitschriften
    Lëtzebuerger Land (d') / d'Letzeburger Land / LL. unabhängige Wochenschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur
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  • Titel der Zeitschriften
    Livres-Bücher. Un supplément du Tageblatt
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  • Titel der Zeitschriften
    Revue / Lëtzebuerger illustréiert Revue
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  • Titel der Zeitschriften
    Westermanns Illustrierte deutsche Monatshefte. ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart
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  • Titel der Zeitschriften
    woxx (Grénge Spoun). déi aner Wochenzeitung = l’autre hebdomadaire
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Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
  • LSV - Lëtzebuerger Schrëftstellerverband [1986-2016]
  • PEN Zentrum Deutschland

Archiv

  • CNL L-0162
Zitiernachweis:
Conter, Claude D./Jacoby, Nathalie: Margret Steckel. Unter: , aktualisiert am 12.01.2024, zuletzt eingesehen am .