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Foto: Raoul Biltgen


Foto:
© Philippe Matsas/CNL

Raoul Biltgen

Esch/Alzette

Pseudonyme: Adam Klee

Raoul Biltgen besuchte in Esch/Alzette die Grundschule und das Lycée de garçons (1993). Nachdem er ein Übersetzer- und Dolmetscherstudium an der Universität Wien abgebrochen hatte, machte er am dortigen Konservatorium eine Schauspielausbildung (1999). Bis 2002 war Raoul Biltgen am Vorarlberger Landestheater tätig. Kurzzeitig arbeitete er als Dramaturg am Theater der Jugend in Wien. Beim Jugendprojekt dasprojekt leitete er u.a. die Schreibwerkstatt. 2015 schloss er eine Ausbildung zum Psychotherapeuten ab. Heute lebt Raoul Biltgen als freier Schauspieler und Schriftsteller in Wien.

Raoul Biltgen hat Theaterstücke, Kurzerzählungen, Romane und Gedichte in deutscher Sprache geschrieben. Die Texte verhandeln Generationenbilder und kreisen um die Themen Gewalt, Mord und Lust, welche das Verhältnis von Eros und Thanatos variieren. Von den zahlreichen unveröffentlichten Dramen (u. a. no excess to unauthorised persons, Scellerato, Phalloi, Aloha!, Falten, Restroom) wurden einige im Schauspielhaus Wien (Nachspiel 2002), im Gerhart-Hauptmann-Haus in Zittau (Ene mene mu 2002) und im Vorarlberger Landestheater (Sirtaki für Anfänger 2002), am Theater Hof (Der Traum vom Wolf 2011) oder auch am Theater an der Gumpendorfer Straße Wien (Die Geschichte der Menschheit in 90 Minuten 2011 u.a.) uraufgeführt. Das Theaterstück Die Chance nach der letzten zum Thema Arbeitslosigkeit wurde am Volkstheater Bautzen 2012 in nieder- und obersorbischer Sprache aufgeführt. Das Stück R.I.P. enthält Lieder, die Raoul Biltgen zusammen mit Nicole C. Weber und Stefan Tikatsch verfasste und vertonte. Der Band einer spricht umfasst nach Formen und Themen variierte Monologe. Das 2011 am Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien inszenierte Stück Die Geschichte der Menschheit in 90 Minuten veröffentlichte er unter dem Titel Und danke für den Apfel als Buch, in dem er in kurzen monologischen Kapiteln 83 Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Generäle, mythologische und fingierte Figuren auftreten lässt, am Beispiel derer Geschehnisse der Weltgeschichte exemplifiziert werden. Dabei überwiegen Anekdoten, Skurriles und Humorvorvolles. Raoul Biltgens Stücke werden in Österreich, Deutschland, Luxemburg, Mexiko und China aufgeführt.

Raoul Biltgen hat mehrere Jugendtheaterstücke geschrieben, in denen er aktuelle Themen aus der Welt junger Erwachsener aufgreift. In Smack Cam (2016) verarbeitet er das Phänomen der Verbreitung von Videos gewalttätiger Angriffe auf Personen in sozialen Medien. Für das Stück Robinson – meine Insel gehört mir (2016) über Angst vor Migration und Asylsuchenden wurde Raoul Biltgen mit dem niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatikerpreis 2017 ausgezeichnet. Das Theaterstück Der freie Fall (2016) über kulturelle und religiöse Vorurteile und Befangenheit im Ethnozentrismus sowie über Flüchtlinge, islamistischen Terror und Populismus stand 2018 auf der Shortlist des niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatikerpreises und wurde von Greg Liakopoulos im Rahmen von Eurodram, einem Netzwerk für die Förderung und Verbreitung von Theaterliteratur und deren Übersetzung, ins Griechische übersetzt. Die Teenager-Liebesgeschichte Gleich ≠ Gleich (2019) thematisiert Rollenkonflikte und Gendervorstellungen. Raoul Biltgen schreibt auch Stücke für kleinere Kinder. 2021 führte er mit der Inszenierung seines eigenen Kinderstückes Wolf! für die Tiroler Volksschauspiele zum ersten Mal selbst Regie. Ein weiteres Kinderstück, Zeugs, in dem Biltgen am Beispiel von Spielfiguren, die nachts ihr eigenes Leben führen, das Thema Selbstbestimmung illustriert, wurde 2022 bei den Mülheimer Theatertagen uraufgeführt.

Im Mai 2014 wurde Raoul Biltgens erstes Theaterstück in luxemburgischer Sprache aufgeführt. Im Auftrag des Kaleidoskop-Theaters von Jean-Paul Maes wurde De Wollef kënnt heem in Bettemburg uraufgeführt. An Stücke wie Friedrich Dürrenmatts Besuch der alten Dame anknüpfend handelt es von der Heimkehr des als jugendlicher Hofknecht aus dem Dorfe geekelten Emil Wolff, der im Ausland mit Bankgeschäften zu Reichtum gelangt ist und in sein Heimatdorf zurückkehrt, um in den Aufbau der maroden Dorfinfrastruktur zu investieren. Das Stück, mit dem Raoul Biltgen an die Luxemburger Volksstücke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anknüpft, zeichnet das Bild einer agrarisch geprägten Dorfgesellschaft, in der Betrug, Rache, Misstrauen und Missgunst herrschen und in der Angst vor Fremden durch soziale Kontrolle kompensiert wird. 2016 folgte die von DenTheater.lu inszenierte Komödie Ze Verkafen: Haus an Haff, in der das Thema des Immobilienmarktes in Luxemburg weitergeführt wird. Im Mittelpunkt steht der Konflikt zwischen einem älteren Akademikerpaar, das sich zur Rente einen renovierten Bauernhof wünscht, und den Verkäufern, einem Landwirt und dessen Sohn, Professor an der Uni Luxemburg, die sich ungerne vom Familienbesitz trennen wollen. Intergenerationelle Konflikte, das Verhältnis von Stadt-Land, Familiengeheimnisse, Vorurteile, Gier und Misstrauen bilden den Hintergrund der Komödie, in der Scheinheiligkeit und Lügen als Zivilisationskrankheit entlarvt werden. DenTheater.lu inszenierte ebenfalls die Komödie Den Théid gëtt al (2017),  in der die kleinbürgerliche Scheinheiligkeit kritisiert und vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und des Umgangs mit Alterskranken Themen wie Rassismus und Geldgier angesprochen werden.

In dem bisher einzigen Erzählband Heimweg überwiegen Adoleszenzgeschichten über die erste Liebe, die Entdeckung des Körpers und die Schule. Nebst Stadtimpressionen aus Wien fallen zudem Erzählungen zu Kunstwerken von Egon Schiele und Edward Hopper auf. Die ästhetische Reflexion und eine Satire auf die Gesellschaft und den Literaturbetrieb in Luxemburg ergänzen Raoul Biltgens Themenhorizont im Roman perfekt morden. Im Internet erschien der Online-Roman Labyrinth, in dem Raoul Biltgen mit Formen alinearen Erzählens experimentierte, und unter dem Pseudonym Adam Klee die Kolumne Adam spricht über alles, was sich Frauen nicht zu fragen und Männer nicht zu sagen trauen über genderspezifische Beobachtungen zum Sozial-und Sexualverhalten von Männern. Eine Auswahl von 69 Texten dieser Kolumne erschien 2019 unter dem Titel Adam spricht. Der in Bregenz und Wien spielende und achronisch in zwei Erzählsträngen aufgebaute Liebesroman Jahrhundertsommer handelt von der Geschichte eines Studenten, der sich während eines Sommers in eine andere Frau verliebt, bevor er, nachdem er verlassen wurde, todessehnsüchtig wird. Rekurrente Themen sind die Hingebung, Sehnsucht nach erfüllter Zweisamkeit und Selbstmordgedanken. Mit Schmidt ist tot legte Raoul Biltgen 2017 einen Kriminalroman mit Anleihen aus dem Spionagegenre vor, in dem ein Luxemburger Grundschullehrer den plötzlichen Tod seines in Wien lebenden Bruders aufklärt, der des Terrorismus verdächtigt wird. Der Roman verbindet die Themen der brüderlichen Hassliebe und der unausgesprochenen Familiengeheimnisse mit genrespezifischen Motiven wie Korruption in der Polizei, Amtsmissbrauch von Sicherheitsbehörden und Terrorismusbekämpfung. Der Roman Meine Insel (2023) untersucht, im Handlungsgerüst einer Robinsonade, Fragen der Selbstvergewisserung und der Identität und verweist dabei auf Paradoxien der Zivilisation. So verfällt der auf einer unbewohnten Insel gestrandete Protagonist, der zunächst unter seiner Einsamkeit leidet, zunehmend dem Gefühl, den eigenen Besitz vor vermeintlich Anderen schützen zu müssen. Diese Konfrontation mit dem Anderen wird im zweiten Teil des Romans zum Ausgangspunkt einer Reflexion über die europäische Festungsmentalität.

Der Lyrikband Manchmal spreche ich sie aus umfasst Reiseimpressionen, poetologische Motive des Fliegens, des Schreibens und der Körperlichkeit sowie das Thema der existenziellen Gefährdung. Gemäß Raoul Biltgens Interesse an der Intermedialität von Literatur integriert er eigene Fotos von Reisen nach Irland, Großbritannien und aus Wien im Gedichtband. Raoul Biltgen veröffentlichte mehrere Prosatexte und Gedichte in den Zeitschriften nos cahiers und Les Cahiers luxembourgeois sowie in internationalen Anthologien (europa erlesen, Eros, 2001,  Gemischter Satz, 2010, E Buch am Zuch, 2013, Erënnerungsraim – Texter iwwer Konscht, Kultur a Kollektiounen, 2013,  Fragment 3793, 2013, Ein Weihnachten zu Hause, 2019). Raoul Biltgen schreibt Krimigeschichten, darunter mehrere kulinarische Krimis, die er in Anthologien veröffentlicht (wie etwa Tatort Kaffeehaus 2011, Malz und Totschlag 2011, Berner Blut 2013, Porridge, Pies & Pistols 2013, Luxemburger Leichen 2013, Tatort Würstelstand 2013, Tatort Heuriger 2014, Tortillas, Tapas und Toxine 2014, Mordsmäßig Münchnerisch 2019, 2021, Im Mordfall Iserlohn 2021 oder Tatort Markamt 2021). 2021 wurde sein Text Der ruhende Pol, der 2020 in Les Cahiers luxembourgeois erschien, mit dem Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie Kurzkrimi ausgezeichnet. Im selben Jahr gewann er zusammen mit dem Komponisten Pierre Weber eine Ausschreibung des Radiosenders 100,7 und des KulturKanals für ein Chorwerk zum Thema „Gléckleche Sisyphus“.

Raoul Biltgen war Mitglied des LSV bis zu dessen Auflösung im Jahre 2016 und ist Mitglied der IG Autorinnen Autoren (A) sowie des Schriftstellerverbands A:LL Schrëftsteller*innen.

Dieser Artikel wurde verfasst von Claude D. Conter und Nathalie Jacoby

Veröffentlichungen

Übersetzungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
    Verwendete Namen
    Raoul Biltgen
  • Titel der Zeitschriften
    nos cahiers. Lëtzebuerger Zäitschrëft fir Kultur
    Verwendete Namen
    Raoul Biltgen

Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
  • LSV - Lëtzebuerger Schrëftstellerverband [1986-2016]
  • Namasté
  • Syndikat (Vereinigung deutschsprachiger Kriminalschriftsteller)
  • Theatergruppe des LGE (Maroldt)
Zitiernachweis:
Conter, Claude D./Jacoby, Nathalie: Raoul Biltgen. Unter: , aktualisiert am 18.03.2024, zuletzt eingesehen am .