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Foto: Nora Wagener


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© Philippe Matsas/CNL

Nora Wagener

Luxemburg

Nora Wagener besuchte die Grundschule in Mersch, das Lycée classique de Diekirch (2001-2004) und das Lycée Robert Schuman in Luxemburg (2004-2008). Nach dem Abitur studierte sie Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim und schloss 2012 mit einem Bachelor ab. 2013 erlangte sie das Zertifikat Lëtzebuerger Sprooch a Kultur (ZLSK) am Institut national des langues.

Nora Wagener ist Autorin von Romanen und Kurzgeschichten, in denen sich ein intimer Schreibstil in feingearbeiteten Miniaturen hochsensibler Charaktere entfaltet. Ihre fiktiven Universen haben oft einsame oder marginale Existenzen und solche mit geschärftem Bewusstsein im Zentrum, die, auf dem Höhepunkt ihrer diversen Empfindlichkeiten, die Banalität des Lebens zu transzendieren scheinen. So offenbaren ihre Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und ihre intensive Wahrnehmung kleinster Details des Alltagslebens eine poetische Durchlässigkeit zwischen Realität und Fiktion, zwischen Ereignis und Nebensächlichkeit.

In Menschenliebe und Vogel, schrei (2011) werden bei der Erzählerin Elke während eines Besuchs bei ihrer Großmutter Überlegungen über ihr Leben, das menschliche Dasein sowie ihre eigene Identität ausgelöst. Begleitet von ihrer Schwester, gedenkt Elke in Erinnerungsfragmenten einer gescheiterten Liebesbeziehung. In E. Galaxien (2015) liefert die Autorin die eigenartigen und befremdenden Porträts dreier Figuren namens Erwin, Edgar und Eleonore, die sich in verschiedenen Mikrokosmen (etwa einem Einkaufszentrum, einem Familienhaus, einer neuen Wohnung oder einer Konditorei) bewegen, welche sich um kleine Einzelheiten eines fragilen Alltags drehen. Diese Figuren betreiben eine intensive Selbstreflexion über die Konfrontation der eigenen inneren Welt mit der Welt um sie herum. 2016 veröffentlicht sie Larven, einen Band mit sechzehn kurzen Prosaerzählungen um kleine Lebensereignisse, in denen verschiedene Charaktere Situationen ausgesetzt werden, die zum Teil unspektakulär (Einkäufe in Luxemburg-Stadt an einem Samstagnachmittag in Schassdomm oder eine verstohlene Begegnung zwischen zwei Schwestern in Das Letzte über Frieda), zum Teil dramatisch (der Tod eines früheren Geliebten in Vergessen ist nirgends sowie der eines Vaters in Dann hättest du auch Larven), zum Teil absurd (in Bis dann, Marianne glaubt ein junger Mann die Frau seines Lebens habe ihn verlassen weil sie nicht wie abgesprochen an ihrem üblichen Rendezvous erscheint, wobei sich herausstellt, dass er sich am falschen Treffpunkt befindet) sind. Mittels einer metaphorischen und poetischen Ausdrucksform werden Handlungen hier mehr durchdacht als dass sie sich abspielten, und lösen sich in der Melancholie, der Eigenart und der Besonderheit des Blicks auf, den die jeweiligen machtlosen Betrachter auf sie werfen. Der Roman Alle meine Freunde (2020) hat die sogenannte "Päischtcroisière" zum Thema, eine Kreuzfahrt im Mittelmeer, die jedes Jahr zu Ostern zahlreiche Luxemburger Touristen anzieht. Ob es um eine erfolglose Variété-Sängerin geht oder um zwei Rentner, die mit den Beschwernissen des Alters zu kämpfen haben, die Autorin alterniert Porträts verschiedener Luxemburger, die die Zeit totschlagen und mit der Kehrseite der Kreuzfahrt konfrontiert werden (Zusammenleben auf engstem Raum, Alkoholexzess, Schäbigkeiten zwischen den Passagieren …) Die allgemeine Niedergeschlagenheit, relativiert durch den omnipräsenten hintergründigen Humor, steht dabei in Kontrast zu den Bemühungen der beflissenen Crewmitglieder, die ihrerseits aus sozial benachteiligten Schichten stammen. In dem Erzählband Was habe ich verpasst (2021) lädt die Autorin ihre Figuren ein, ihre persönlichen oder beruflichen Situationen (neu) zu bewerten. Vom Scheitern einer Liebesbeziehung über den Stillstand einer Karriere bis hin zu dem spontanen Wunsch, in hohem Alter an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen, öffnen die verschiedenen Situationen vor dem Hintergrund von Irrtümern, Momenten des Zögerns und Schicksalsschlägen einem ambivalenten "Was wäre wenn" die Tür. Doch wie einzigartig die beschworenen Schicksale auch sein mögen, das Wiederauftauchen bestimmter Charaktere von einer Geschichte zur nächsten erweckt den Eindruck einer Gemeinschaft zwischen ihnen. Auch wenn die meisten Situationen nicht aufgelöst werden, unterstreichen Humor und Ironie die Empathie, ja die Sympathie des Blicks, der auf die Figuren gerichtet ist. Manche Geschichten werfen auch Fragen zu verschiedenen Formen der Ungleichheit, sozialem Determinismus oder Herrschaftsmechanismen auf (die Lebensumstände einer Putzfrau, kolonialistische Reflexe, das Schicksal der Frau im Laufe der Geschichte der Empfängnisverhütung usw.).

Im Kinder- und Jugendbuchbereich ist d'Glühschwéngchen (2016) zu nennen, das in Zusammenarbeit mit Luc Caregari entstanden ist. Dieses Kinderbuch auf Luxemburgisch wurde von Carlo Schmitz illustriert und schildert das Schicksal eines Schweinchens, das einer Wärmelampe zu lange ausgesetzt wurde und deswegen glüht. Im Winter ist die vom Tier abgestrahlte Wärme auf dem Bauernhof, wo es lebt, begehrt, im Sommer jedoch wird es von allen gemieden. Das Schweinchen macht sich daher auf der Suche nach einem kalten Land und fällt einer skrupellosen Figur namens Pingubausch, die sich auf Kosten des Glühschweinchens und anderer Tiere bereichert, zum Opfer. Die Erzählung prangert mittels Anspielungen die luxemburgische Politiklandschaft an und führt den kleinen Protagonisten dazu, sich für Freiheit und Gerechtigkeit zu engagieren.

Nora Wagener ist außerdem Theaterautorin. Sie nahm, unter anderem mit Ian De Toffoli, am internationalen Projekt Playing a part (2014-2015) teil, aus dem das Theaterstück 99% entstand, das sich mit den Themen der Mehrsprachigkeit und der Minderheiten auseinandersetzt. Nora Wagener ist zudem Mitorganisatorin der Lesungsreihe Impossible Readings. 2015 zeichnete sie für das Theaterstück Visions verantwortlich, das die kleine Welt einer deprimierten und paranoiden jungen Frau beschreibt, die ihre Wohnung nicht verlässt und täglich stundenlang auf den Bildschirm ihres Fernsehers starrt. Das Stück wurde von Claire Thill inszeniert und in der KUFA in Esch/Alzette aufgeführt. 2017 wurde das Kinderbuch d’Glühschwéngchen von Linda Bonvini et Rosalie Maes für die Bühne adaptiert und von Linda Bonvini inszeniert.

In dem Essay Lücken, Lustwandeln (und Larifari), der 2023 in der Reihe Rede zur Literatur erschien, wird die poetologische Reflexion an den Gestaden des Wannsees in Berlin verankert. Während Ansätze zur Reflexion über das literarische Schaffen zunächst in jenen Fragen gesucht werden, die Schriftstellerinnen und Schriftstellern gewöhnlicherweise gestellt werden, zieht die Autorin diesen in der weiteren Folge des Textes andere literarische Sinneinheiten vor, wie etwa nur scheinbar willkürliche Abschweifungen, Satzfetzen oder Exkurse.

Ab 2013 lieferte die Autorin Beiträge für Sammelbände, etwa Fragment 3793 (Luxemburg), Kleine LiteraTour durch Luxemburg, Hällewull (Slowenien), Manfred Maurers Reise in den Süden (Ӧsterreich) sowie für den Ausstellungskatalog Korrekturspuren.Textmetamorphosen (Luxemburg). Sie schrieb des Weiteren kurze Prosatexte für deutsche Magazine wie Opus und Streckenläufer, für die österreichische Zeitschrift manuskripte sowie, in Luxemburg, für die Tageszeitung Tageblatt und dessen Beilage kulturissimo, für die Zeitschrift forum und die Cahiers luxembourgeois, in denen sie zudem ihre ersten Gedichte auf Luxemburgisch veröffentlichte (2016).

2017 wurde die Erzählung Dann hättest du auch Larven aus dem Band Larven von Jeffrey D. Castle ins Englische übersetzt und im Sammelband Best European Fiction 2018 des amerikanischen Verlags Dalkey Archive Press veröffentlicht. Die Erzählung Kuba und Klatschmohn aus dem gleichen Band wurde von Tom Nisse für die Zeitschrift On peut se permettre (Juni 2017) ins Französische übersetzt. E. Galaxien wurde 2018 ins Slowenische (E. Galaksije) übersetzt, Larven erschien 2020 in einer serbischen Übersetzung (Larve).

Nora Wagener beteiligt sich an zahlreichen kulturellen Veranstaltungen, etwa in Luxemburg und im Ausland. Sie wirkte z.B. bei Literaturfestivals ‒ 2014 in Vilenica (Slowenien) und 2016 in Zagreb (Kroatien) sowie am LiteraTour in Bettembourg (Luxemburg) im gleichen Jahr ‒  mit. Sie ist Mitglied des Künstlerkollektivs Independent Little Lies und Mitorganisatorin der Lesereihe Impossible Readings.

2012 erhielt sie drei Preise: den Manfred-Maurer Literaturpreis, den ersten Preis in der Jugendkategorie beim Concours littéraire national sowie den Hans-Bernhard-Schiff Förderpreis. 2014 wurde sie mit dem Prix arts et lettres des Institut Grand-Ducal ausgezeichnet. 2015 nahm sie an Autorenresidenzen in Ventspils (Lettland) und Berlin teil. 2017 erhielt Nora Wagener den Prix Servais für Larven. 2022 war sie Stipendiatin der Autorenresidenz LCB & Bourse Bicherfrënn und 2023 war sie Residenzautorin im Literaturhaus LiLu – Literatur Liechtenstein/Luxemburg.

Dieser Artikel wurde verfasst von Ludivine Jehin

Veröffentlichungen

Übersetzungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
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  • Titel der Zeitschriften
    forum. fir kritesch Informatioun iwer Politik, Kultur a Relioun
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  • Titel der Zeitschriften
    kulturissimo. mensuel culturel et socio-politique
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    Nora Wagener
  • Titel der Zeitschriften
    manuskripte. Zeitschrift für Literatur, Kunst, Kritik
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  • Titel der Zeitschriften
    Opus. Kulturmagazin
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  • Titel der Zeitschriften
    Poet (Poet[mag]). Literaturmagazin
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  • Titel der Zeitschriften
    Streckenläufer. Hrsg. PoCul, Verein für Politik und Kultur, Saarbrücken
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  • Titel der Zeitschriften
    Tageblatt / Escher Tageblatt = Journal d'Esch. Zeitung fir Lëtzebuerg
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Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
  • Conseil national du livre (CNLi)

Archiv

  • CNL L-0388
Zitiernachweis:
Jehin, Ludivine: Nora Wagener. Unter: , aktualisiert am 06.03.2024, zuletzt eingesehen am .