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Florent Toniello

Lyon ()

Pseudonyme: F.T. ; ft

Florent Toniello besuchte von 1978 bis 1983 die Diderot-Grundschule, sodann, von 1983 bis 1990, das Gymnasium Jean Moulin in Lyon. 1987 zog seine Familie nach Australien, wo er an der Applecross Senior High School in Perth studierte. Daraufhin erlangte er ein DEUG in Mathematik und Physik an der Universität Lyon I (1992) und ein Magister in Bild-und Tontechnik an der Université de Bretagne Occidentale in Brest (1994). Es folgten ein Fachhochschul-Abschluss in Netzwerktechnik (1995) an der Universität Lille I und eine Lizenz als Lektor und Korrekturleser am Centre d’écriture et de communication in Paris (2012). Nach dem Militärdienst an der École du service de santé des armées in Bron begann Florent Toniello seine berufliche Karriere bei einem multinationalen Unternehmen. Dort übernahm er verschiedene Posten und fungierte etwa als Manager im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien, hauptsächlich in Brüssel, aber auch in Malines (B) und Amiens (F). 2012 zog er nach Luxemburg und arbeitete als Korrektor, zunächst für den Verlag Phi, anschließend für Kommunikationsunternehmen und Zeitungen. Seit 2014 ist er unter anderem als Korrektor und Redakteur von zum größten Teil kulturellen Beiträgen bei der Zeitung woxx tätig. Darüber hinaus zeichnet er für Übersetzungen vom Deutschen, Luxemburgischen und Englischen ins Französische verantwortlich. Florent Toniellos besonderes Interesse gilt der Musik: Er studierte Blockflöte, allgemeine Musiklehre und Harmonielehre an der Musikhochschule in Lyon, absolvierte Kurse für Oboe und belegte einen Kurs zur Orchesterleitung an der Musikhochschule in Luxemburg. 2018 und 2019 war er künstlerischer Leiter des Printemps des poètes-Luxemburg.

Flo[ts] (2015) ist Florent Toniellos erster veröffentlichter Lyrikband. Dieser besteht aus sechs Teilen ‒ ein „Amont“ („Oberlauf“) und ein „Aval“ („Unterlauf“) umrahmen vier „Livres“ („Bücher“) ‒ und beinhaltet Gedichte von unterschiedlicher Länge, die zum Teil die Form des Akrostichons aufweisen. Die Evozierung natürlicher Elemente prägt diese Gedichte. Sie reihen Eskapaden aneinander, in denen Fauna, Vegetation, Mineralien, Tiere abwechselnd durch Beben, Erschütterungen, Ausbrüche, Abflüsse oder Erdrutsche belebt, mitgerissen oder gemildert werden. Dabei ergründet ein lyrisches Ich das Gedächtnis der zum Teil, etwa rund um den Krakatoa und den Vesuv, vulkanischen, zum Teil, etwa rund um die Alzette, grünen Landschaften und erfasst die durch menschliche Einwirkung geprägte Entwicklung der Arten. 2017 veröffentlichte Florent Toniello Ptérodactyle en cage, ein Lyrikband, dessen Gedichte sich in den narrativen Rahmen des Tagebuchs eines Gefangenen einfügen. Wenn sich die Aufmerksamkeit hier auch erneut auf natürliche Elemente (mineralische Oberflächen, Flüssigkeiten, Luftzüge) richtet, so werden diese nunmehr in der engen und kargen Zelle des Protagonisten aufgespürt und laden dessen Geist zu imaginären  Ausbrüchen  ein. Die Erzählung stützt sich auf diverse Kontrastwirkungen, die durch Ton-und Tempowechsel, eine befremdende Titelwahl sowie eine präzise, zum Teil fachorientierte Sprache verstärkt wird. Trotz tiefempfundener Momente der Abscheu wenden sich die Gedankengänge des Inhaftierten auch einer gewissen Lebenskraft und Freude zu, etwa dank der Zuflucht in die Musik, die auf die persönlichen Interessen des Autors hindeutet. Nach seiner Veröffentlichung wurde der Lyrikband zum Gegenstand einer vom Autor in Zusammenarbeit mit dem Pianisten Jean Hilger konzipierten Performance, die im Rahmen des Printemps des poètes in Luxemburg aufgeführt wurde. Das Gedicht [Je, tu, il, nous levons les yeux...] wurde 2017 in Form eines Leporellos veröffentlicht. 2018 erscheint Apotropaïque, eine Sammlung von Akrosticha, die bereits 2014 entstanden sind. Florent Toniello bedient sich archaischer Ausdrucksweisen, benutzt vergessene, seltene oder unübliche Begriffe, manchmal aus dem Altfranzösischen, um die er kleine poetische Texte webt. Im selben Jahr veröffentlichte er das Werk Foutu poète improductif, eine Sammlung von dreißig Gedichten, in denen er die Betriebswelt mit ihren Zwängen von Produktivität und Gewinnbringung unter die Lupe nimmt. Es ist ein kritischer Blick, den der Autor auf sein vorheriges Bürodasein wirft, auf eine Welt, die er selbst zugunsten der Lyrik verlassen hat. Mit schwarzem Humor gelingt es ihm, das Poetische in dieser feindlichen Umgebung zu enthüllen, in der nur ein starker Sinn für Ironie sein Überleben sichert. In Vidée vers la mer pleine (2021) bleibt der Blick auf die moderne Welt wohlwollend in seinem Bemühen um Menschlichkeit und spöttisch in der Beobachtung ihrer Machenschaften. Durch die drei Teile, von denen einer das in Erzählform verfasste Logbuch einer Seefahrt darstellt, während die anderen zwischen Lang- und Kurzgedichten wechseln, führt eine pluralistische weibliche Stimme. Sie ist zynisch, mythologisch oder rebellisch, ist mal Abenteurerin, mal Firmenangestellte und berichtet von den Bedrohungen einer Gesellschaft, die in besonderem Maße der Leistungsfähigkeit und dem Kult um das Wohlbefinden unterworfen, aber der Zerstörung ihrer natürlichen Umwelt gegenüber blind ist. Auflesend, was von einer unbewusst handelnden Menschheit angeschwemmt wird, liest und deutet die poetische Stimme die sichtbaren und unsichtbaren Zeichen dieses Erbes.

Der schmale Band L’Oreille arrachée (2017), der in der Reihe « Bruxelles se conte » des Maelström Verlags erschien, erinnert an jene Zeit, wo der Lyriker in der belgischen Hauptstadt lebte. Das Werk fokussiert auf den in der Stadtgemeinde Uccle situierten Friedhof von Dieweg, der Florent Toniello zu Grabinschriften inspiriert, deren Titel wie auch der Titel des ganzen Bandes, sich an Alben der Abenteuer von Tim und Struppi von Hergé anlehnen. Diesen Inschriften wird eine Reihe von vom Autor selbst realisierten Aufnahmen des Friedhofs zur Seite gestellt. Im gleichen Jahr zeichnete Florent Toniello für Lorsque je serai chevalier verantwortlich, ein Band, in dem er Überlegungen um den Status des Lyrikers in der heutigen Welt anstellt. Nebst einer Stadt-Elegie, einer ironischen Darstellung des vermeintlichen Ruhms des Dichters oder einer Einführung in das sogenannte "Jersey-French" (ein normannischer Dialekt, der auf der Kanalinsel Jersey gesprochen wird) das er durch den Linguisten Geraint Jennings kennengelernt hat, evoziert Florent Toniello wiederholt die Musik, wie etwa durch Besuche in die Philharmonie in Luxemburg oder durch ein fiktives Gespräch mit dem Komponisten J.S. Bach. Die Geburtstagsfeier des Dichters Pierre Joris im Centre national de littérature in Mesch am 14. Juli 2021, das historische Hochwasser unmittelbar danach und die Legende der Sirene Melusine stehen im Zentrum seiner Textsammlung Mélusine au gasoil (2021). Hier werden Anekdoten, poetische Höhenflüge, historische Fakten und schelmische Zwischenrufe einer Sirene aus der Alzette in den Mund gelegt, die in ölverschmutztem Wasser – ein Symbol kapitalistischer Exzesse – in der Falle sitzt. Auf die Erzählung folgt ein Gespräch mit Pierre Joris. Aus den Gesprächen mit Pierre Joris entstand ebenfalls der Band Always the Many, Never the One (2022), in dem sich die beiden Autoren über poetische, theoretische und persönliche Probleme austauschen.

2018 entsteht Florent Toniellos erster Theatertext. La Petite Fabrique des notes ist ein verspieltes Stück über den Komponisten Jacques Offenbach und sein musikalisches Werk. Während einer Atlantiküberquerung hat der ansonsten sehr produktive Offenbach ein Inspirationstief, aus dem eine findige Muse ihm heraushelfen möchte. Das Stück wurde am Théâtre Ouvert Luxembourg uraufgeführt.

2020 erschien Ganaha, der erste Roman des Autors. Florent Toniello greift in diesem Werk bestimmte Verwendungsformen der französischen Sprache wieder auf, wie zum Beispiel den "Accord de proximité" (die Kongruenz mit dem am nächsten stehenden Substantiv), und erfindet gesellschaftliche Umgangsformen in zwei räumlich und zeitlich verschiedenen Reichen, einem archaischen und einem futuristischen. In der einen Welt Ganahas leben die Menschen in Symbiose mit der Natur und praktizieren ein Gemeinschaftsleben, in dem die Poesie eine zentrale Rolle einnimmt; in der anderen Welt wurde der Mensch durch eine körperlose, von künstlicher Intelligenz gesteuerte Lebensweise verdrängt. Als sich, dank einer Zeitkapsel, ein Wesen aus dieser dystopischen Umgebung inmitten der unveränderlichen Rituale der ersten wiederfindet, führt die Konfrontation zwischen diesen antagonistischen Daseinsformen zu der Frage, was am Wesen der Menschheit erhalten werden kann oder sollte. Nach Ganaha setzt Florent Toniello seine Erkundungen auf dem Gebiet der Science-Fiction fort und erschließt in den Erzählungen des Bandes Honorable Brasius (2023) neue Fantasiewelten. In drei der insgesamt fünf Geschichten gibt eine Figur namens Brasius, eine Art weiser und mürrischer Clochard, Schlüssel zu parallelen Wirklichkeiten an die Hand, sei es einem von Visionen ergriffenen Kind, sei es einer Schlossherrin, in deren Besitz sich ein geheimnisvolles Buch befindet. In den beiden restlichen Erzähltexten werden mögliche Folgen des gegenwärtigen Klimawandels imaginiert, wobei eine der Erzählungen die Flucht vom Planeten Erde und die Schaffung eines der kultischen Verehrung der Kuh gewidmeten Raums schildert, während in der anderen eine Mutter und ihre Tochter mit den Vorboten eines Vulkanausbruchs weltweiten Ausmaßes konfrontiert werden.

Florent Toniello liefert außerdem Beiträge für Luxemburger Zeitungen und Zeitschriften (woxx, die Beilage Livres-Bücher, abril, Les Cahiers luxembourgeois), französische (La Tribune du Jelly Rodger, Comme en poésie, Revu, Festival permanent des mots, Arpa, Traction-brabant, Revue Méninge, Paysages écrits, Écrit(s) du Nord, Comme en poésie, Décharge) und belgische (Le Journal des poètes) Zeitschriften sowie online Zeitschriften (Recours au poème, Realpoetik, L’Ampoule, Catastrophes). Er lieferte zudem Beiträge für Anthologien und Sammelbänden, wie z.B. Rouges (France, 2016), Naissance des deux crânes (France, 2016), Impossible Readings (Luxembourg, 2016), Résonances (France, 2017), L'Instant fugace (France, 2017), Le Goût du Luxembourg (2018), Premières amours (Luxemburg, 2021) und Quelque part, le feu (Paris, 2023). Des Weiteren reichert er regelmäßig seinen Blog mit Texten an, etwa zu seinen Lektüren oder Filmimpressionen, unter anderem in Akrostichon-Form. Er beteiligt sich auch regelmäßig an Lesereihen ("Impossible readings" und "Désœuvrés") und Veranstaltungen in Luxemburg (etwa im Café Le Bovary in Weimerskirch) und im Ausland  (etwa die "Rencontres poétiques" in Woippy und das Festival "Transpoésie" in Brüssel). Seit 2022 ist er Mitorganisator der Veranstaltungsreihe "Dimanches en poésie", die auf die "Rencontres poétiques" von Woippy folgen, und seit 2023 für die Website D’ailleurs poésie zuständig.

Er übersetzt außerdem Gedichte aus dem Englischen, Deutschen, Luxemburgischen und Isländischen. Zu seinen Übersetzungen gehören unter anderem Gedichte von Anna Leader und Ulrike Bail für die Zeitschrift Revu (2019) sowie von Nico Helminger, Pierre Joris, James Leader und Léon Rinaldetti oder auch von Freya Daro, Samuel Hamen, Anna Leader, Fernando Martins da Mota und Tom Weber für das Journal des poètes (2021 und 2022). Weitere Gedichte von Pierre Joris sowie von Gerður Kristný übersetzte er für die Zeitschrift Catastrophes (2022 und 2023).

Mehrere seiner Gedichte sind in spanischer Übersetzung in l’Antología poética, edición Europa (2022) sowie in der Zeitschrift Huellas (2022) und in Oceanum (2023) erschienen.

2015 erhielt Flo[ts] den ersten Preis beim Concours littéraire national. 2024 war Florent Toniello Stipendiat der mit einer Autorenresidenz am Literarischen Colloquium Berlin (LCB) verbundenen Bourse Bicherfrënn.

Dieser Artikel wurde verfasst von Ludivine Jehin

Veröffentlichungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    abril
    Verwendete Namen
    Florent Toniello
  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
    Verwendete Namen
    Florent Toniello
  • Titel der Zeitschriften
    Journal des poètes (Le)
    Verwendete Namen
    Florent Toniello
  • Titel der Zeitschriften
    Livres-Bücher. Un supplément du Tageblatt
    Verwendete Namen
    Florent Toniello
  • Titel der Zeitschriften
    woxx (Grénge Spoun). déi aner Wochenzeitung = l’autre hebdomadaire
    Verwendete Namen
    Florent Toniello
    ft

Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
Zitiernachweis:
Jehin, Ludivine: Florent Toniello. Unter: , aktualisiert am 18.04.2024, zuletzt eingesehen am .