Marco Godinho
Marco Godinho wurde in Portugal geboren und zog im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern nach Luxemburg. Er besuchte bis 1996 die Schule in Echternach und danach das Lycée des Arts et Métiers in Luxemburg-Stadt, wo er sich für eine Spezialisierung in Grafikdesign entschied. Anschließend studierte er fünf Jahre lang an der École Nationale Supérieure d'Art in Nancy, unterbrochen von Aufenthalten in Lausanne und Düsseldorf. Nach diesem Studium, das er mit einem nationalen Hochschuldiplom in Bildender Kunst abschloss, arbeitete er ein Jahr lang als Forscher am Atelier National de Recherche Typographique in Nancy. Von 2016 bis 2022 unterrichtete er an der École supérieure d'Art de Lorraine. Außerdem war er als Bühnenbildner für das Theater tätig. Im Jahr 2022 gründete er zusammen mit seinem Bruder Fábio Godinho und Keong-A Song den Verlag LUAR Éditions, dessen Name auf Portugiesisch „Mondschein” bedeutet.
Marco Godinho ist ein interdisziplinärer Künstler. In seiner Arbeit legt er besonderen Wert auf Formenvielfalt und erforscht Nomadentum sowohl in geografischer als auch in gedanklicher Hinsicht. Er entwirft visuelle und klangliche Installationen, Performances und Textarbeiten, die von Literatur und Philosophie geprägt sind und deren Hauptthemen sich um Fragen nach Erinnerungsspuren und Zeitlichkeit, Exil und Immigration drehen. Persönliche Lebenswege und Welt-Raum begegnen sich in Objekten und Kompositionen, Opfergaben und Ritualen, die eine Affinität zu Papier und Büchern aufweisen. Dialoge mit den Werken von Jorge Luis Borges, Georges Bataille oder Ernst Bloch durchziehen sein Schaffen. Der Künstler hatte Einzelausstellungen in Luxemburg (Casino, Centre d'art Nei Liicht) und im Ausland (MNAC in Lissabon, MAMAC in Nizza oder Fonderie Darling in Montreal). Seine Werke wurden auch in Gemeinschaftsausstellungen gezeigt, beispielsweise im Centre Pompidou Metz (2013), im Centro Cultural Kirchner in Buenos Aires (2018), auf der Biennale in Lyon (2017), im Louvre-Lens (2024-2025) oder im Museo Fortuny in Venedig (2023-2024) sowie mehrfach im Mudam in Luxemburg. 2019 vertat er Luxemburg auf der Biennale in Venedig mit der Installation Written by Water, die von einem Film, Left to Their Own Fate (Odyssey) begleitet wurde, an dem sein Bruder Fábio mitwirkte. Für dieses Projekt bereiste Marco Godinho den Mittelmeerraum mit Homers Odyssee in der Hand und tauchte unbeschriebene Notizbücher in das Wasser der Küsten, um die Sprache des Meeres auf das Papier prägen zu lassen. Das in diesem Zusammenhang veröffentlichte Buch See Another Sea (2019) zeichnet in visueller und poetischer Form die Reisen und Begegnungen nach, die im Hinblick auf die Installation stattfanden. Es enthält ein gleichnamiges Gedicht mit 201 Versen, was einem Vers pro Ausstellungstag auf der Biennale entspricht.
Als Autor bevorzugt Marco Godinho die kurze poetische Form. So hat L’Horizon retrouvé (2007) die Form eines Reisepasses, in dem über den Raum verstreute Gedichte und Orientierungspunkte eine sich verändernde Kartografie bilden. In dem zweisprachigen Band Et (le dernier dialogue possible/ST (The last possible dialogue) [2015]) versuchen sich Raum und Zeit, verkörpert durch einen Mann und eine Frau, an dem letzten möglichen Dialog, bevor alles verschwindet. 2023 veröffentlichte Marco Godinho zusammen mit seinem Bruder den Gedichtband Offrir quelques mots à la rive. Darin setzten sie eine Arbeit fort, die sie beim WaterWalls Festival 2021 mit einer szenischen Installation unweit des Staudamms 5 in Esch/Sauer begonnen hatten. Auf einer Plattform über einem Wasserbecken stand ein Megafon, das mal der Windrichtung folgte, mal die Stimmen der Menschen verstärkte, die sich äußern wollten. Während der Autorenresidenz, die dieses Projekt begleitete, durchstreiften die beiden Künstler die Region und führten Gespräche untereinander und mit den Einwohnern, unter anderem über die Beziehung zur Natur und zur Sprache. Entstanden sind mehrstimmige Texte, die von Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Ort, von der unaufhörlichen Bewegung des Lebens und der Sprache, von Verlust, Vergessen, Warten und Begegnungen erzählen.
2024 erschien Un feu permanent à l’intérieur de nous, ein Künstlerbuch und Langgedicht, das während eines Aufenthalts in der Kulturfabrik entstand. Das Gedicht besteht aus 28 Versen, von denen jeder einem Schwarz-Weiß-Foto gegenübergestellt ist und die Form einer Einladung oder einer beschwörenden Anweisung rund um das Feuer annimmt. Es ist das Ergebnis von Streifzügen durch den Süden des Großherzogtums, entlang der Alzette und in der Nähe von Stahlwerken, wo der Autor Objekte sammelte und verewigte, um über ihre sinnliche und bedeutungsmäßige Wirkung nachzudenken. Das Buch A Head Like a Garden/La Tête comme un jardin (2025) entstand im Rahmen einer temporären Ausstellung im Freien, die während der Gartenausstellung LUGA realisiert wurde. Poetische Sätze, verstreut im Alzette-Tal, luden dazu ein, sich im öffentlichen Raum treiben zu lassen. Im Buch werden sie als „künstlerische Protokolle” in englischer und französischer Sprache präsentiert und von leeren Seiten begleitet, auf denen der Leser seine Gedanken festhalten kann – als Einladung, seinen eigenen Garten zu kultivieren.
Marco Godinho ist Autor einer Reihe von Kunstbüchern, darunter die drei Bände der Reihe Invisible More Visible More Invisible (Aschaffenburg, Luxemburg und Metz, 2012-2013), Tigers in Flip-flops (Venedig, 2017) sowie gemeinsam mit Sally Bonn A Permanent Wind Inside Us & Lettre-océan (Paris, 2017). Darüber hinaus sind seine Arbeiten in Sammelwerken wie Portugal Agora ̶ à propos des lieux d’origine (Luxemburg, 2007), Tous les jours, à tous points de vue, je vais de mieux en mieux (Besançon, 2023), Exils ̶ Regards d’artistes (Lens, 2024) oder Rethinking Photography (Luxemburg, 2025) vertreten.
Seinem Werk sind Monografien wie Endless Time Searching (Arles, 2013), Marco Godinho. Written by Water (Berlin, 2020), Marco Godinho (Salzburg, 2017) oder Mondes nomades (Nizza, 2017) gewidmet. Auf der Grundlage seines künstlerischen Werdegangs entstand unter der Feder von Keong-A Song die Figur des Mr Godinho, dessen Abenteuer in Le Monde nomade de Mr Godinho (2019) illustriert sind.
Marco Godinho absolvierte zahlreiche Künstlerresidenzen, darunter an der FRAC Champagne-Ardenne in Reims (2006-2007), im Transplant-Designzentrum in Dale i Sunnfjord in Norwegen (2008), in der Cité Internationale des Arts in Paris (2007 & 2017) und der Fondation Boghossian ̶ Villa Empain in Brüssel (2018). Er leitet Workshops, Performances und Konferenzen auf der ganzen Welt.
Veröffentlichungen
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Titel See Another SeaJahr2019
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Jahr2023
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Jahr2024
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Jahr2025
Sekundärliteratur
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Autor(in) Marie-Anne Lorgé
Jahr2016 -
Autor(in) Aude Lavigne
Jahr2017 -
Autor(in) Paula Telo Alves
Jahr2018
Weblinks
Jehin, Ludivine: Marco Godinho. Unter: , aktualisiert am 20.08.2025, zuletzt eingesehen am .