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Foto: Nathalie Ronvaux


Foto:
© Philippe Matsas/CNL

Nathalie Ronvaux

Luxemburg

Nathalie Ronvaux ist die Tochter belgischer Eltern und besuchte die Grundschule in Bartringen, das Lycée technique Michel Lucius in Luxemburg und das Institut Sainte-Marie in Arlon. Nachdem sie ein Jahr Kriminalistik in Lausanne studiert hatte, arbeitete sie von 2000 bis 2008 für die Berufskammer in Luxemburg, wo sie als Beraterin für kleine und mittlere Betriebe zuständig war. Von 2008 bis 2009 war sie beim Kasemattentheater zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltungs- und Produktionsfragen. 2011-2012 war sie Produktionsdirektorin für LuxAnimation. Ab 2012 arbeitete sie als Koordinatorin und Verwaltungsleiterin für den CEPA (Cercle européen pour la Propagation de l’Art). Seit 2016 arbeitet Nathalie Ronvaux als freie Schriftstellerin. Sie ist dem Team der Kulturfabrik in Esch/Alzette beigetreten und arbeitet dort als Direktionsassistentin und Projektleiterin.

Nathalie Ronvaux, die Schauspielkurse am Musikkonservatorium in Luxemburg belegte, arbeitet im Bereich der darstellenden Künste. Sie führte Regie bei Theaterstücken, 2010 zusammen mit Marc Rettel bei der Inszenierung von Guy Foissys Stück La Dame au violoncelle, dann alleine im gleichen Jahr bei E Wäibierg an Alaska von Jay Schiltz beim Steinforter Festival sowie 2011 bei L’Atelier d’écriture von David Lodge am Théâtre ouvert Luxembourg. Im Dezember 2010 wurde ihr erstes Bühnenstück Échographie am Théâtre du Centaure im Rahmen der Reihe "Frauen und Gewalt" aufgeführt. 2014 veröffentlichte sie eine Sammlung von Theatertexten, La vérité m’appartient, die ein gleichnamiges Stück sowie drei andere Texte für die Bühne beinhaltet. La vérité m’appartient dreht um die Konfrontation zwischen zwei Frauen, Mia und Mannopper, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegenseitig der Kollaboration beschuldigen. Inspiriert von Archivdokumenten aus den Jahren 1946 bis 1957 folgt dieses fiktive Stück verschiedenen Befragungen, die die Komplexität des Unterscheidungsvermögen zwischen Wahrheit und Lüge in den Nachkriegsjahren anführen. 2016 wurde das Stück von Charles Muller inszeniert und im Kapuzinertheater sowie im Escher Stadttheater aufgeführt. Die drei anderen Texte - Histoire(s), Échographie, und Enterre-moi - schildern abwechselnd unklare Zeugenaussagen zu einem sexuellen Vergehen sowie die problematische Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart, stellen den Monolog einer schwangeren Frau dar, die von der Erinnerung an die verstörte Mutter, die eine Kindstötung begangen hat, geprägt ist, und führen ein Gespräch zwischen zwei Frauen, die unter patriarchalischer Unterdrückung leiden, aus. 2020 schreibt Nathalie Ronvaux neben sieben weiteren Autoren im Rahmen der Covid-19-Pandemie eine Auftragsarbeit für die Théâtres de la Ville de Luxembourg und das Kinneksbond von Mamer. Der Huis clos Contraction_s zeigt unter der Regie von Stéphane Ghislain Roussel am Grand Théâtre die Verwirrung dreier Figuren, die versuchen, Distanz zu halten. 2021 entstand der Monolog Moi, je suis Rosa !, der vom Théâtre du Centaure produziert und unter der Regie von Aude-Laurence Biver aufgeführt wurde Der Text basiert auf einem realen Ereignis aus dem Jahr 2001, als die Skulptur Lady Rosa of Luxembourg der kroatischen Künstlerin Sanja Iveković, die ihre Inspirationsquelle, das Denkmal Gëlle Fra, in eine schwangere Frau verwandelte, in der luxemburgischen Presse für Schlagzeilen sorgte. Zwanzig Jahre später erweckt der Monolog von Ronvaux diese von manchen Kommentatoren geschmähte Statue zum Leben und fördert die vielen Widersprüche dieses Falls zutage. Da sie nun das Wort hat, macht sie sich auf die Suche nach der eigenen Identität und stößt sich mit Humor und Wut an den Schwierigkeiten der Wortergreifung, den Definitionslücken und der Einsamkeit ihrer fleischlichen Hülle. Mithilfe ihrer Erkenntnisse leiht sie ihre Stimme nach und nach allen zum Schweigen verurteilten Frauen. Moi, je suis Rosa ! erschien 2022 in Buchform. In der in der CNL-Reihe „Rede vom Theater“ erschienenen Rede Pour arriver au seuil du geste (2023) hinterfragt Nathalie Ronvaux den Akt des Schaffens von Dramentexten, den sie als zugleich einsame und kollektive, sich im Spannungsfeld zwischen Reflexion und ihrer Ausgestaltung bewegende Handlung versteht. Die Autorin spricht sich für ein sozial engagiertes Theater aus, das moderne Fragestellungen aufgreift. Sie fragt sich, inwieweit sich die Literatur vom Weltgeschehen nährt und wie sie sich daran beteiligt, angefangen mit insgeheim in der Kindheit gelesenen Büchern bis hin zur dramaturgischen Gestaltung eines Werkes.

Seit 2010 ist Nathalie Ronvaux als Dichterin tätig. Sie veröffentlichte Vignes et Louves (2011), ein Gedichtband, der den Prozess der Selbstfindung in Verbindung mit Beziehungsfragen und Selbsteinschätzung beschreibt. Die Gewalt ihrer Bildersprache, ihre surrealistischen Bilder sowie die Knappheit ihres minimalistischen Stils erinnern an Gedichte von Anise Koltz. Der Band La liberté meurt chaque jour au bout d’une corde (2012), als Basis einer historischen Ausstellung im Musée de la Résistance in Esch/Alzette, ist eine poetische Hommage an luxemburgische Widerstandsbewegungen während des Zweiten Weltkrieges. Im Gedichtband Vol de nuit à ciel ouvert (2014) lädt die Dichterin mit einer präzisen und einschneidenden Sprache in eine Dämmer- und Traumwelt ein. 2015 veröffentlichte Nathalie Ronvaux zusammen mit Bertrand Ney das Künstlerbuch Les Nuits blanches, das Gedichte und Siebdrucke beinhaltet. 2016 zeichnete sie verantwortlich für Il n'y a rien... Il y a tout..., ein Künstlerbuch mit Gedichten der Autorin und Zeichnungen des Künstlers Robert Brandy.

Nebst Lyrik und Theater veröffentlichte Nathalie Ronvaux auch Prosa. Der Text Subridere (2017) offenbart die Wahrnehmungen und fragmentarischen Reflexionen einer dreißigjährigen Anwältin, die plötzlich beschließt, eine Einzelfahrkarte von Luxemburg nach Paris zu kaufen. Die Zugfahrt ermöglicht der jungen Frau, die von ihren Luxusaccessoires und ihrer gewohnten Umgebung losgelöst ist, Empfindungen zu entdecken, die sie bei ihrer Ankunft dazu verleiten, durch den Kauf eines Gebäcks oder die Reservierung eines durchschnittlichen Hotelzimmers eine Art Freiheit zu entdecken. Der Roman Le Chesterfield du cinquième (2021) erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen einem eher diskreten jungen Mann und seinem Nachbarn vom fünften Stock, einem auf den ersten Blick exzentrischen Dandy, der sich mehr und mehr in sein Leben einmischt und ihn in eine Affäre um anonyme Briefe verwickelt. Die Persönlichkeit dieses älteren Nachbarn, sein Freundeskreis, sein Lebensstil und die Briefe, die er erhält, sind von einem Geheimnis umwittert, das mehr und mehr in den Hintergrund gerät, je näher sich die beiden kommen. Dabei übernimmt der Nachbar zunehmend die Rolle eines Lehrmeisters, der den jungen Mann in die Freuden des Lebens einweiht und ihn ermutigt, sich in der Liebe zu entfalten. Parallel zu den zahlreichen Kurzdialogen, die eine Philosophie des gegenwärtigen Augenblicks vermitteln, wird durch die Abbildung handgeschriebener Briefe eine weitere, dazu in Kontrast stehende Zeitebene eröffnet, welche auf eine Dauerhaftigkeit von affektiven Bindungen verweist, die über die menschliche Endlichkeit hinausgeht. Die Kürzestgeschichte L’Homme de la rivière (2023) erzählt in Gestalt einer Fabel, wie bei der Verarbeitung einer Demütigung der Aufwand den Nutzen übersteigt.

Nathalie Ronvaux veröffentlichte zudem Beiträge in den belgischen Literaturzeitschriften Traversée und On peut se permettre sowie in der Zeitschrift Sguardi e voci giovani sull’Europa von der Académie d’Espagne in Rom. Texte von ihr erschienen auch in Sammelbänden, etwa Hasta la vista, Johnny! (2011), Erënnerungsraim (2013), Fabula rasa (2013), Fragment 3793 (2013), e-gutenberg (2014), Fester feieren (2014), Migrant (2015), Quo vadis Europa? (2015) sowie im Ausstellungskatalog Korrekturspuren. Textmetamorphosen (2015) und in Diaristes du Luxembourg (2022). Des Weiteren lieferte sie Beiträge für die literarische Beilage Lesezeit–Lectures pour tous des Luxemburger Worts, u.a. mit Rezensionen zu Edmond Dune, Jean Krier und Hélène Tyrtoff, sowie für die Tageblatt Beilagen Livres-Bücher und kulturissimo, die Zeitschrift forum, die Cahiers luxembourgeois und Galerie.

Nathalie Ronvaux nahm des Weiteren regelmässig an literarischen und kulturellen Veranstaltungen teil, etwa Lesungen in der Kulturfabrik oder im Kinneksbond, oder Performances, zum Beispiel während der Nacht der Museen 2013. Gemeinsam mit Serge Basso de March und Linda Ortolani leitete sie einen Schreibkursus für Schüler im Lycée Bel-Val, deren Gedichte im Sammelband Les Yeux sans frontière du poème (2013) erschienen. 2014 wirkte sie mit sechs anderen luxemburgischen Autorinnen an Mat Leif an Séil mit, einer Bühnenfassung verschiedener Texte um Liebe, Sexualität, Begierde, Fantasievorstellungen und Innigkeit. 2014 beteiligte sie sich auch am Projekt „Textes sans frontières“, einer luxemburgisch-lothringischen Zusammenarbeit um szenische Lesungen zeitgenössischer Texte. Im Rahmen des Festivals concordan(s)e zeichnete sie 2015, zusammen mit der Tänzerin Anne-Mareike Hess, für eine Performance (Seule à seule) rund um die Begegnung zwischen Literatur und Tanz verantwortlich.

2020 erschien der Sammelband Vol de nuit à ciel ouvert in griechischer Sprache. Le Chesterfield du cinquième wurde 2023 ins Bulgarische übersetzt (Честърфийлд от петия етаж).

2010 wurde Nathalie Ronvaux' Manuskript Vignes et Louves mit dem Förderpreis der Fondation Servais ausgezeichnet und sie vertrat das Großherzogtum bei der Autorenresidenz im Schloss von Pont d’Oye. 2013 wurde sie für ihr Stück La vérité m’appartient mit dem ersten Preis beim Concours littéraire national ausgezeichnet. 2015 wurde die Autorin von Le Jeudi zur "Frau des Jahres" in der Kategorie Kultur gewählt. 2016 beteiligte sie sich an der Gründung des Kollektivs Le Gueuloir, das Dramatiker aus Lothringen, Luxemburg und Belgien vereint und nahm, in Zusammenarbeit mit der Mission culturelle du Luxembourg en France, an einer Autorenresidenz in der Stiftung Biermans-Lapôtre in Paris teil. 2017 gehörte sie zu den zehn Schriftstellern, die für das Projekt « New voices from Europe » ausgewählt wurden. Das Projekt bietet vielversprechenden, außerhalb ihres Landes jedoch weniger bekannten europäischen Schriftstellern eine Plattform.Im Jahr 2017 hatte sie zusammen mit Gast Groeber die Walferdinger Autorenresidenz inne. 2018 erhielt sie für Subridere den Sonderpreis "Coup de cœur du jury" in Rahmen des Lëtzebuerger Buchpräis.

Dieser Artikel wurde verfasst von Frank Wilhelm und Ludivine Jehin

Veröffentlichungen

Übersetzungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Cahiers luxembourgeois (Les). revue libre des lettres, des sciences et des arts
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    forum. fir kritesch Informatioun iwer Politik, Kultur a Relioun
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    Galerie. Revue culturelle et pédagogique
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    kulturissimo. mensuel culturel et socio-politique
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    Lesezeit - Lectures pour tous. Supplément commun de Luxemburger Wort et d'Voix
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    Livres-Bücher. Un supplément du Tageblatt
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    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    On peut se permettre
    Verwendete Namen
    Nathalie Ronvaux
  • Titel der Zeitschriften
    Traversées. Revue littéraire trimestrielle
    Verwendete Namen
    Nathalie Ronvaux

Sekundärliteratur

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

  • A:LL Schrëftsteller*innen
  • Le Gueuloir. Collectif d’auteurs transfrontalier

Archiv

  • CNL L-126
Zitiernachweis:
Wilhelm, Frank/Jehin, Ludivine: Nathalie Ronvaux. Unter: , aktualisiert am 06.03.2024, zuletzt eingesehen am .