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Foto: Gast Mannes


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Gast Mannes

Gaston Mannes
Wasserbillig

Pseudonyme: g.m.

Nach dem Besuch der Grundschule in Remich und Wasserbillig besuchte Gast Mannes von 1960 bis 1967 das hauptstädtische Athenäum. Nach dem Abitur studierte er Deutsch und Französisch an den Cours supérieurs in Luxemburg (1967-1968) sowie an den Universitäten in Paris (1968-1970), Saarbrücken (1970-1971) und Montpellier (1972-1974). Dort schloss er in den Sprachwissenschaften mit einer Dissertation über den Gebrauch des Personalpronomens in den Memoiren von André Malraux ab. Gast Mannes unterrichtete von 1974 bis 1998 Deutsch an Gymnasien in Luxemburg: am Lycée Michel Rodange (1974-1977), danach am Lycée de garçons in Esch/Alzette (1977-1981) und erneut am Lycée Michel Rodange (1981-1998), wo er 1993 zu den Mitherausgebern der Festschrift zum 25. Geburtstag der Schule zählte. Von 1995 bis 2008 wurde Gast Mannes zudem als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Centre national de littérature in Mersch freigestellt. Dort kuratierte er mehrere Ausstellungen, gab Editionen und wissenschaftliche Studien heraus und arbeitete am Luxemburger Autorenlexikon mit. Seit 1998 bis zu seiner Pensionierung 2012 war Gast Mannes großherzoglicher Bibliothekar im Château de Berg (Colmar-Berg) und machte dem Publikum Prunkstücke der Bibliothek in Ausstellungen zugänglich, so z.B. in En hommage à über Widmungsbücher an die großherzogliche Familie (2000), Le Grand Ouvrage über die wissenschaftlichen Aufzeichnungen beim Napoleon-Feldzug nach Ägypten (2003), Nassau und seine Bäder in der Zeit um 1840 über ein Widmungsexemplar von George Barnard an Herzog Adolph zu Nassau (2005) oder Nassau oblige über die Musicalia–Abteilung (2008).

Gast Mannes ist zunächst als Literaturwissenschaftler mit germanistischen und luxemburgistischen Studien hervorgetreten. In seinen Studien überwiegen editorische, dem Positivismus verpflichtete und sozialgeschichtliche, aber auch kulturwissenschaftliche Ansätze, etwa über die Malerei in Luxemburg (Joseph Sünnen, Jean-Pierre Beckius, Roger Greisch). Er publizierte literaturwissenschaftliche Beiträge in ausländischen Fachpublikationen sowie in den Zeitschriften Arts et Lettres, Estuaires, forum, Galerie, Hémecht, Jahrbuch / Luxemburger Gesellschaft für Genealogie und Heraldik, nos cahiers oder Ré-création. Zahlreiche Studien hat Gast Mannes gemeinsam mit den Literaturwissenschaftlern Germaine Goetzinger, Roger Muller und Frank Wilhelm veröffentlicht.

Mannes’ Forschungsinteressen gelten dem Vormärz und den Autoren des 19. Jahrhunderts, den deutsch-luxemburgischen Literaturbeziehungen, linksintellektuellen Autoren sowie den Avantgardebewegungen und dem Expressionismus.

Ein Schwerpunkt der luxemburgistischen Forschung von Gast Mannes bildet die Literatur des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Josiane Weber kuratierte er die Ausstellung Zensur im Vormärz (1998) über die Literatur- und Pressegeschichte Luxemburgs vom Wiener Kongress bis zur Julirevolution 1848. Gemeinsam mit Germaine Goetzinger und Roger Muller zeichnete er verantwortlich für die Ausstellung zu Michel Rodange (2002). Mit den Anfängen der Luxemburger Literatur beschäftigte er sich gemeinsam mit Roger Muller in der Studie zu Heinrich Stammer. Auch gab er den Ausstellungskatalog zum Luxemburgischen (2000) mit heraus und schrieb Beiträge zu Autoren wie Michel Lentz und André Duchscher.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Kulturtransferbewegungen zwischen Luxemburger Autoren und ausländischen Schriftstellern. Im Tageblatt stellte der Autografensammler und Bibliophile in den 1990er Jahren in der Kolumne Trouvailles solche Dokumente und Bücherexemplare vor, die aufgrund von Widmungen, Einträgen o.ä. Zeugnisse des Kulturtransfers zwischen Luxemburgern, deutschen und französischen Autoren, Künstlern und Intellektuellen sind. Solche Beziehungen bilden den Gegenstand der luxemburgistischen Studien und Ausstellungen (z.B. Hôtes de Colpach 1997; Kontakte – Kontexte, 1999; Exilland Luxemburg, 2007). Wiederholt hat sich Gast Mannes mit dem deutsch-luxemburgischen Schriftsteller Norbert Jacques beschäftigt. Außer in kürzeren Beiträgen gehörte er u.a. gemeinsam mit Germaine Goetzinger zu den Kuratoren der Retrospektive Norbert Jacques, zu deren Anlass die Autobiografie Mit Lust gelebt (2004) neu herausgegeben wurde. Austauschprozesse und das Konzept der Mischkultur bilden auch die konzeptionelle Grundlage der Anthologie Zwischenland! Ausguckland!

Die Avantgardebewegungen in Literatur und Kunst stehen im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsarbeiten. Außer einem Überblicksartikel zur Luxemburger Avantgarde (Metzler Lexikon Avantgarde 2009) handelt es sich um die gemeinsam mit Claude Bommertz im Centre national de littérature kuratierte Ausstellung Schock und Vision 1900 – 1950 sowie um mehrere in ausländischen Publikationen erschienene Aufsätze. Vor allem mit Pol Michels und Alexander Weicker hat sich Gast Mannes eingehend beschäftigt. Pol Michels und dessen Freundschaft zu Yvan Goll und den europäischen Avantgarden hat Gast Mannes mehrere Studien gewidmet: eine Edition der Übersetzungen und Gedichte von Pol Michels (Choix de textes, 2004) und die Monografie Luxemburger Avantgarde (2007). Zudem hat Gast Mannes das Werk des Expressionisten Alexander Weicker und dessen Beziehungen zu Marieluise Fleisser in mehreren Beiträgen erforscht, darunter die Edition des Romans Fetzen (1998) und Marieluise Fleisser und Alexander Weicker (1999) über die Beziehung zwischen beiden Autoren.

Gast Mannes hat sich zudem ebenso mit der politischen Geschichte Luxemburgs und mit der Dynastie (z.B. Alexander Sergejewitsch Puschkin [2006], Charles-Gérard Eyschen, 2009) beschäftigt wie mit der Sozialgeschichte Luxemburgs und dem Frühsozialismus, wobei er die politische Affiliation einzelner Autoren im luxemburgischen und europäischen Kontext beschrieb, so u.a. für Nicolas Konert, Wilhelm Leibfried und Friedrich Anton Wild. Dem Verhältnis von Literatur und Politik im Allgemeinen sind andere Studien gewidmet, etwa jene zur Gedelit, der Gesellschaft der deutschen Literatur in Luxemburg (2010).

2022 kuratierte Gast Mannes die Ausstellung „This is a lovely quiet rose-growing part of dirty old Europe“ – James Joyce à Luxembourg, die den einwöchigen Luxemburg-Besuch des irischen Schriftstellers James Joyce und seiner Ehefrau Nora im August 1934 dokumentierte. Während seines Aufenthalts in Luxemburg-Stadt verfasste Joyce acht Briefe und fünf Postkarten, die von Mannes erstmals ausführlich kommentiert und im Ausstellungsband publiziert wurden. Ein Kapitel des Bandes ist dem Franzosen Armand Petitjean gewidmet, der bereits in jungen Jahren Studien zu Joyce vorgelegt hat und von Aline Mayrisch-de Saint Hubert in Colpach empfangen und gefördert wurde. Petitjeans in Colpach zurückgelassener und bisher unveröffentlichter Essay on the Situation of Joyce wurde von Gast Mannes im Rahmen der Ausstellung in einer kommentierten Ausgabe herausgegeben.

Gast Mannes tritt seit 2011 als Autor biografisch-fiktionaler Literatur hervor. Charakteristisch für sein Schreiben ist, dass er Fiktionen überwiegend auf der Grundlage von dokumentarisch verbürgtem Material verfasst, so dass die daraus entstehenden literarischen Texte authentisch und erfunden zugleich sind und Pastiche-Charakter haben.

In den Prosa-Etüden Rockstrohs Gespräche mit Heinrich von Kleist (2011) entwirft Gast Mannes in 26 Kapiteln, die in sechs Einheiten untergliedert sind, ein in Berlin stattfindendes fingiertes Gespräch zwischen dem Schriftsteller Kleist und dem Journalisten und Mathematiker Heinrich Rockstroh über Alltagsgegenstände, die Politik, die Kultur und die Wissenschaften, Modeerscheinungen und Erfindungen sowie persönliche Erinnerungen. Die Begegnung dokumentiert die unterschiedlichen und sich widersprechenden Facetten des Aufklärungszeitalters: der Fortschrittsoptimismus und die Hoffnung auf eine stete Verbesserung der Gesellschaft, die Desillusionierung und die Gefährdung des Subjekts bis hin zum Freitod. Zugleich spiegelt die Form des Dialoges und des Monologs, in denen Argumente und Gegenargumente zugleich vorgetragen werden, einen zentralen Gedanken der Aufklärung von der Einheit des Gegensätzlichen. Rockstrohs Gespräche mit Heinrich von Kleist gibt einen Einblick in die Denkweise der Spätaufklärung und die Radikalisierung des sich gegen den Menschen richtenden Fortschrittsglaubens.

Unter dem Titel Der Abschied des Hofbibliothekars (2017) hat Gast Mannes neun unterschiedlich konzipierte, durch Motive und rekurrente Sujets miteinander verbundene Essays versammelt, in denen am Beispiel von europäischen Hofbibliothekaren (Leibniz, Kant, Lessing, Heinse, Hölderlin, die Brüder Grimm, Grillparzer, Hoffmann von Fallersleben und einem Hofbibliothekar aus dem Luxemburg des 21. Jahrhunderts) deren Verhältnis zu den regierenden Monarchen in Briefwechseln, Reden an die Freunde, Berichten, Dialogen und Aufzeichnungen erzählt wird. Der Autor verknüpft in Quellen belegte Zitate und Ausführungen der jeweiligen Hofbibliothekare mit eigenen, fiktionalen, aber in Stil und Ausführung sich annähernden Ergänzungen. Außer dem jeweiligen Ende des oftmals zwiespältigen Dienstverhältnisses zwischen Bibliothekar und Monarch werden in der kurzen Kulturgeschichte der Hofbibliotheken zugleich Bibliotheken und ihre Bestände beschrieben.

Nervals Reisen oder Deutschland unser aller Mutter (2019) ist ein weiteres Beispiel für die biografisch-fiktionale Literatur von Gast Mannes. Es werden die vier Reisen des französischen Schriftstellers und Übersetzers Gérard de Nerval nach Deutschland und Österreich zwischen 1838 und 1854 geschildert. Zugleich wird am Beispiel von Nervals Begegnungen mit Autoren wie Alexandre Dumas, Heinrich Heine, Moritz Saphir oder Karl Gutzkow ein Einblick in die Literatur- und Theatergeschichte der Romantik und des Biedermeier gegeben. Die Dokumentennähe, die in dem Quellen- und Literaturverzeichnis bezeugt wird, ermöglicht eine Zeitreise in die Umbruchszeit zwischen Julirevolution und Nachmärz. Der Autor zeichnet ein Bild Nervals, dessen Lebenskrise durch Marginalisierung in der bürgerlichen Gesellschaft und durch schmerzhafte Seelenerkundungen sichtbar werden. Nerval erscheint als Zerrissener, wenig anerkannter Übersetzer und als Unbehauster, dessen Freuden an der Kultur abwechseln mit der unbewältigten Vatersuche und mit Momenten psychischer Destabilisierung.

Gast Mannes ist Mitglied der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft, der Schiller-Gesellschaft, der Kleist-Gesellschaft und der Forum Vormärz-Gesellschaft sowie Mitglied der Historischen Kommission für Nassau und des Institut grand-ducal, Section Arts et Lettres. Gast Mannes war Präsident der Prix Servais Jury von 1992 bis 2005 und gehörte von 2005 bis 2011 der Jury des Prix Batty Weber an.

Dieser Artikel wurde verfasst von Claude D. Conter und Fabienne Gilbertz

Veröffentlichungen

Sonstige Mitarbeit

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Annuaire = Jahrbuch Luxemburgische Gesellschaft für Genealogie und Heraldik (Annuaire / Association luxembourgeoise de généalogie et d'héraldique)
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    APROPO. Athénée Prose Poésie
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    Arts et lettres. publication de la Section des arts et des lettres de l'Institut grand-ducal
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    Estuaires. Revue culturelle
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    forum. fir kritesch Informatioun iwer Politik, Kultur a Relioun
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    Galerie. Revue culturelle et pédagogique
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    Hémecht / Ons Hémecht / 'T Hémecht
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    nos cahiers. Lëtzebuerger Zäitschrëft fir Kultur
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    Récré / Ré-création / Ausbléck. Magazine culturel de l'APESS
    Verwendete Namen
    Gast Mannes
  • Titel der Zeitschriften
    transkrit. Revue littéraire - Zeitschrift für Literatur
    Verwendete Namen
    Gast Mannes

Sekundärliteratur

Mitgliedschaft

  • Fondation Servais

Archiv

  • CNL L-317
Zitiernachweis:
Conter, Claude D./Gilbertz, Fabienne: Gast Mannes. Unter: , aktualisiert am 09.01.2024, zuletzt eingesehen am .