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Foto: Gast Rollinger


© Mike Thull

Gast Rollinger

Gaston Rollinger [geb.]
Esch/Alzette Esch/Alzette

Gaston, genannt Gast, Rollinger wuchs in Esch/Alzette auf, wo er von 1952 bis 1958 die Grundschule (Esch-Brill) und von 1958 bis 1965 das Lycée de garçons besuchte. Nach dem Abitur absolvierte er die Cours supérieurs in Luxemburg und studierte anschließend Literaturwissenschaft in Straßburg, Paris und Heidelberg (1965-1970). In Rahmen seines Referendariats schrieb er seine Abschlussarbeit über Das Groteske in der Lyrik des Frühexpressionismus (1972). Ab 1973 unterrichtete er Deutsch und Englisch am Escher Lycée de garçons. Parallel dazu war Rollinger von 1982 bis 1994 Mitarbeiter des Fernsehsenders RTL, für den er, vornehmlich als Regisseur, Autor und Kameramann, neben Beiträgen für die wöchentliche luxemburgische Sendung Hei Elei Kuck Elei auch mehrere Spielfilme (mit)produzierte.

Als Gymnasiallehrer, Filmemacher und Autor war Gast Rollinger zeitlebens eng mit seiner Heimatstadt Esch/Alzette verbunden. Die Themen seines filmischen und literarischen Werks verlaufen konzentrisch um das Escher »Grenz«-Viertel mit umliegenden Orten wie dem Katzenberg, dem ehemaligem Brasseur-Hüttenwerk, dem Ellergrund, dem Galgenberg oder Belval. Rollingers über 100 dokumentarische und fiktionale, teils in Eigenregie, teils für RTL gedrehte Filme erstrecken sich indessen auf ganz Luxemburg, wobei er nicht nur die lokale Industriekultur oder die freie Natur sondern schwerpunktmäßig auch das literarische Leben des Landes in den Blick nimmt.

Erste, mit einer 8mm-Kamera gedrehte Amateurfilme wie Das Schreckgespenst (1963), Das öde Haus (1964/65) oder Paris au mois de mai (1968) entstehen bereits zu Schul- und Studienzeiten. Später realisiert Rollinger Kurzfilme nach eigenen Texten (u. a. Den E.T. zu Lëtzebuerg, 1983; D’Minettsbréck, 1989; Däischter Deeg, 1990; Dezemberliicht, 1992; Ellergronn, 1992; D’Sälerbunn, 2004; Gedichter aus dem Minett, 2010; Gedichter 1994-2010, 2010; Kalmäuser kauft ein Buch, 2010; Kalmäuser reist um die Welt, 2010) sowie Poesiefilme nach Texten von Anne Blanchot-Philippi (Mon Pays, 1982), Tit Schroeder (Eis Bäm, 1982), Fernand Barnich (Steng um Wee, 1983; Fernand Barnich. Texter aus dem Minett, 1992) oder Dicks, Jos Keup, Marcel Reuland und Emil Angel (Wéi wäiss war deemols dach de Wanter, 1992; En Dag am Hierscht. Gedanken zu Allerhelgen, 1993). 1976 gelingt ihm mit Auf der Suche nach Arno Schmidt eine der wenigen Dokumentationen über den zurückgezogen lebenden Bargfelder Autor. Weiterhin entstehen die Filmporträts Fernand Barnich. Eng Stëmm aus dem Minett (1983), Georges Hausemer (1983), De Michel Clees stellt sech vir (1985), Léopold Hoffmann (1985) und Anne Blanchot-Philippi. Hei elei Kultur – 29. Mee 1993. Der Film Liesen & Schreiwen zu Lëtzebuerg (1987, gemeinsam mit Jean Rinnen) präsentiert neben Autorenlesungen auch Stellungnahmen von Mars Klein und Roger Manderscheid zur literarischen Tätigkeit im Großherzogtum. Für Fernand Barnichs Theaterstück De Gaalgebierg (1982/1983) nahm Rollinger Filmsequenzen auf und drehte mit ihm die Minettfilme Déi lescht Schicht (1986) und E Bauer am Minett (1992). Ferner kollaborierte er für diverse Sendungen und Filme mit Pir Kremer (Wat e Summer!, 1983), Nic Weber (Joseph Hess; Iechternach; Vun Heemecht an Uelzecht a Waasser iwwerhaapt, 1983), Frank Wilhelm und Tony Bourg (De Victor Hugo zu Lëtzebuerg, 1985), Raoul Biltgen (Eng aner Schoul. E Film an 2 Deeler, 1986/1993) oder Emil Angel (Den Dëmpel, 1987). Nicht zuletzt aufgrund der mit Menn Bodson und Marc Olinger realisierten Spielfilme E Fall fir sech (1984, Drehbuch: Fernand Barnich), Déi Zwéi vum Bierg (1985, Drehbuch: Henri Losch), De falschen Hond (1989, Drehbuch: Henri Losch, nach der Novelle Der Verräter von Nikolaus Hein) sowie E Liewe laang (1992, Drehbuch: Emil Angel) gilt Rollinger gemeinhin als ein Pionier des Luxemburger Films.

Das literarische Werk umfasst lyrische, erzählerische und essayistische Texte, die Rollinger hautpsächlich in Récré publizierte. Vor dem Hintergrund des Escher Naturraumes und der Stilllegung der Hochöfen widmet sich die in fünf Teilen in Récré veröffentlichte Gedichtsammlung Dobannen & Dobaussen (1994-1998) existenziellen und universellen Fragen um Herkunft, Identität und Vergänglichkeit. Mal schwermütig-gedankenverloren, mal humorvoll-ironisch reihen sich die meist kreuzgereimten, dreihebigen Vierzeiler mit abwechselnd weiblicher und männlicher Kadenz in die Tradition der Volksliedstrophe ein, wobei die einprägsame, melodische Sprache den Stimmungsbildern eine schlichte Natürlichkeit verleiht. Im Rückgriff auf Bertolt Brechts Lyrik illustriert das programmatische E Gespréich iwwer Bäm, wie Naturmotive in Gedichten nicht nur zur atmosphärischen Untermalung sondern unterschwellig auch als Träger sozialkritischer Beobachtungen dienen. Das Gedicht D’Sälerbunn (2003/2014) wurde von Roland Wiltgen in Musik gesetzt. 2024 wurden 23 Gedichte auf Fränz Hausemers Album Däischter Deeg publiziert, das neben eigenen Interpretationen auch Kompositionen seines Vaters Hubert Hausemer enthält. Fränz Hausemers Dokumentarfilm Terre rouge – Topographie du poète von 2025 zeichnet darüber hinaus ein filmisches Porträt des Dichters Gast Rollinger.

Beim Titelheld der Kalmäuser-Erzählungen – Kalmäuser kauft ein Buch (2000), Kalmäuser reist um die Welt (2001) und Kalmäusers Ansprache beim Besuch des Schulleiters in seiner Klasse (2005) – handelt es sich um ein Alter Ego des Autors. Der sprechende Name, dessen in Vergessenheit geratene Bedeutung etwa dem Grimm’schen Wörterbuch entnommen ist, charakterisiert den beleibten Mittfünfziger und renitenten Deutschlehrer als Stubengelehrten und Grillenfänger. Auf ironische Art glorifizieren die Erzählungen eine hochgradig pedantische Liebe zu Büchern sowie den Umstand, dass der enge Raum der heimischen Bibliothek zu chronotopischen Reisen in die weite Welt einlädt.

Seine literarische Gelehrsamkeit stellte Rollinger, der in den 1970er und 1980ern zeitweilig Artikel und Theaterkritiken für das Feuilleton des Luxemburger Worts schrieb, mit einer Reihe längerer literaturwissenschaftlicher Essays unter Beweis, die sich mittels einer selbstreflexiven Erzählweise dem Werk eines bestimmten Autors widmen (u. a. Theodor Fontane, Georg Heym, Johann Gottfried Seume oder Arno Schmidt).

Beim Concours national von 1970 der Fédération Grand-Ducale des Cinéastes Amateurs wurde Fire mit dem Preis für den besten Film prämiert. 1982 wurde der Poesiefilm Mon Pays in Montréal (Kanada) mit dem ersten Preis des Concours poésie der Télévisions francophones ausgezeichnet. Für ihre Pionierarbeit als Filmemacher erhielten Rollinger und Menn Bodson 1992 den Prix Lions des Lions Club International. Roland Wiltgens Vertonung von D’Sälerbunn erhielt 2003 den ersten Preis des Concours pour chant choral des Kulturvereins De Minettsdapp. Jean Backs Novelle Amateur (2009) ist die überarbeitete und erweiterte Form einer von Rollinger 1971 im Lycée de garçons Esch/Alzette aufgegebenen Schülerarbeit, welche vor dem Hintergrund der Schülerunruhen und des Schülerstreiks von 1971 spielt.

Dieser Artikel wurde verfasst von Tim Reuter

Veröffentlichungen

Mitarbeit bei Zeitungen

  • Titel der Zeitschriften
    Luxemburger Wort / d'Wort / LW
    Verwendete Namen
    Gast Rollinger
  • Titel der Zeitschriften
    Récré / Ré-création / Ausbléck. Magazine culturel de l'APESS
    Verwendete Namen
    Gast Rollinger

Sekundärliteratur

Mitgliedschaft

  • APESS - Association des professeurs [avant 1940: de l’enseignement supérieur et moyen, après guerre: de l'enseignement supérieur et secondaire]
  • Institut grand-ducal Section des arts et des lettres
  • Minettsdapp (De)
  • RTL télévision /Fernsehen
  • SLLGC - Société luxembourgeoise de littérature générale et comparée
  • Theatergruppe des LGE (Maroldt)

Archiv

  • CNL L-0292
Zitiernachweis:
Reuter, Tim: Gast Rollinger. Unter: , aktualisiert am 08.07.2025, zuletzt eingesehen am .